Samstag, 30. Dezember 2017

Neugier statt Angst

Die eigenen Grenzen sprengen und über meinen Schatten springen liebe ich. Wahrscheinlich ist es vergleichbar mit dem Kick, den ein Adrenalin Junkie verspürt bevor er mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug springt. Das bin ich aber garantiert nicht. Ich fahre gemütlich Auto, bin am Motorrad oder Pferd nie dem Geschwindigkeitsrausch verfallen und kann auch Bungee Jumping nicht viel abgewinnen. Aber die gedanklichen Barrieren überschreiten, finde ich sehr spannend.



Wenn auch eine Flugzeugsituation für mich nicht in Frage kommt, so gibt es doch in unserem Alltag oft Dinge die uns so ängstigen als wären wir wirklich in einer lebensgefährlichen Situation. Unser Körper und Geist reagiert genauso, als würde ein Säbelzahntiger vor uns stehen und uns bedrohen. Und das schlimmste ist, so ein Gefühl der ängstlichen Hilflosigkeit kann man sich gut und schnell antrainieren. Ein paar Mal gemacht und schon reagiert man auf die kleinste unbekannte Situation mit Angst und Hilflosigkeit.
Die Folge ist dann das man Situationen, die schon ein kleines bisschen nach Kontrollverust  riechen, generell meidet. Das macht das Leben sehr unspannend.

Wenn ich so ein bisschen darüber nachdenke, warum ich weitgehend kein ängstlicher Mensch bin, so hab ich dass, glaube ich, meiner Neugier zu verdanken. Neugierig auf das Leben, auf Menschen, darauf wie etwas geworden und entstanden ist. Neugierig was passiert, wo (meine) Grenzen sind und neugierig darauf was noch alles geht und machbar ist.

Aber jetzt mal weg von mir, stellt Euch mal vor wir würden in einer Welt leben in der „Angst“ durch „Neugier“ ersetzt würde. Wahnsinn, wenn man das mal durchdenkt, oder?

Ich habe Angst vor dem Tag – Ich bin neugierig auf den Tag
Ich habe Angst vor einer bestimmten Situation – ich bin neugierig auf die Situation
Ich habe Angst vor (einem) Menschen – ich bin neugierig auf (die)den Menschen
Ich habe Angst vor Fremden – Ich bin neugierig auf Fremde
Ich habe Angst davor Auto zu fahren – ich bin neugierig wie es mir damit geht wenn ich mit dem Auto fahre
Ich habe Angst zu wenig Geld zu habe– ich bin neugierig mit wie wenig Geld ich auskomme
Ich habe Angst alleine zu sein Ich bin neugierig was ich alleine alles bewegen kann

Einen Versuch ist es wert das mal im eigenen Leben zu versuchen, oder? Die gute Nachricht ist nämlich, man kann sich die „normale“ Alltagsängstlichkeit auch ganz leicht wieder abtrainieren. Einfach  damit in kleinen Situationen beginnen und probieren.

Das könnte so oder ähnlich aussehen:
  • Angstgefühl steigt auf
  • Nicht unterdrücken!
  • Satz formulieren mit „Ich habe Angst vor…“ (Zwingt mal darüber nachzudenken wovor man wirklich Angst hat wenn man ehrlich zu sich selbst ist)
  • Umwandeln in „Ich bin neugierig auf…
  • Neugierig sein was dann passiert 😈

Dienstag, 26. Dezember 2017

Mein Weihnachsgeschenk vom Universum 😊

Sehr lange Zeit habe ich so gut wie nichts mehr mit meinem geliebten Haflinger Liberty gemacht, den ich mir zu meinem 35igsten Geburtstag geschenkt habe. Ich begann erst sehr spät zu reiten, mal abgesehen von den üblichen Stunden als Kind. Erst mit ca. 32 hat es mich dann so richtig erwischt. Ich wurde Mitreiterin, nahm Stunden, habe mir viel Wissen angeeignet bis ich dann das Gefühl hatte soweit zu sein um die Verantwortung für ein eigenes Pferd zu übernehmen.


Liberty hat mein Leben dann komplett auf den Kopf gestellt. Er war der Auslöser für viele einschneidende Entscheidungen in meinem Leben. Meine Hälfte an meinem Personalberatungsunternehmen abzugeben, Tierservice-Mobil zu gründen um Tiersitterin zu werden, mich nach einem Hof umzusehen der es mir erlaubte mein Pferd ganz bei mir zu haben.

Als wir dann auf Hof-Sonnenweide zogen hat sich unser Verhälntis zueinander verändert. War ich vorher Libertys Herdenführerin, war er nun selbst Führer einer Herde und wollte sich nichts mehr von mir vorschreiben lassen. Während in den Ställen, wo er vorher eingestellt war, immer ein mehr oder weniger fixer Tagesablauf herrschte, war er nun selbstbestimmt was Futter, Wasser, dösen, schlafen, Sozialpflege, usw. betraf. Er brauchte mich nicht mehr und das zeigte er sehr deutlich. Am Beginn war mir das noch nicht so klar, weil ich ohnehin alle Hände voll mit dem Hof und den vielen tierischen Neuzugängen zu tun hatte. Da blieb wenig Zeit für Reiten oder sonstige Mußestunden mit meinem Pferd. Manchmal, wenn ich mir dann die Zeit nahm, wollte er nicht und das hat er mir auch überdeutlich gezeigt.

In den letzten Jahren habe ich mich mehr oder weniger damit arrangiert. Ich wollte ihn auf keinen Fall zu etwas zwingen, ich freute mich einfach das er da war, ein so gelassenes, relaxtes und glückliches Pferd. Er lebt mit Rokita unserer Stute und den vier Eseln auf ca. 1 ha Fläche bestehend aus Wald, Wiese, Gatschkoppel, Unterstand. Was braucht ein Pferd mehr zum Pferdeglück?
Heuer im Sommer wurde ich jedoch erstmals etwas wehmütig. Ich vermisste die schönen Ausritte in den Wald, die Spontanität und einfach das Beisammensein mit einem Lebewesen das so viel zu geben hat und auch fordert. Aber ich wusste nicht wie anfangen. Ich habe natürlich im Laufe meines Reiterlebens viele Kurse und Ausbildungen gemacht, viel gelesen und am meisten haben mich, gerade in letzter Zeit alles begeistert was mit „Freiarbeit“ im weiteren Sinne zu tun hat. D.h. einfach eine Vertrauensbasis mit dem Pferd die es erlaubt ohne jeglichen Zwang beisammen zu sein und das Pferd als gleichwertigen Partner zu akzeptieren. Das klingt unheimlich gut und es gibt mittlerweile auch einiges an Literatur darüber, ich war sogar eine Woche auf einem Kurs in Deutschland um das zu lernen.

Trotzdem mein Verstand vollkommen einverstanden war mit allem was ich lernte und las, hat es mich vom Gefühl her zu wenig berührt um wirklich was damit zu machen. Ich habe immer wieder kurze Versuche gestartet, div. Übungen gemacht, war aber der Funke ist nicht übergesprungen. Ich kenn mich ja, wenn mich etwas wirklich begeistert finde ich immer einen Weg es zu lernen und umzusetzen. Da gibt’s keine Ausreden wie keine Zeit oder sonstiges. Das war in diesem Fall nicht so. Also habe ich es wieder bleiben lassen, im Vertrauen darauf das es einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt ist um wieder zusammen zu wachsen. Sobald sich etwas mühsam anfühlt, kann es nicht gut sein.

Und genauso war es auch. Vor ein paar Wochen habe ich bemerkt das sich in mir was tut und diese Hinweise auch sehr offen angenommen. Fotos von Liberty und mir die mir wieder untergekommen sind, ein Bild meiner ehemaligen Trainerin auf FB, das sie auf ihrem Pferd zeigte (sie hat auch immer wieder (Reit)pausen gemacht), ein Spaziergang mit einer Kundin und deren Pferd. Der letzte Hinweis kam gestern beim Weihnachtsmittagessen mit meinen Eltern. Sie haben ein vergrößertes Foto von mir und Liberty im Regal stehen. Das fiel mir jetzt jahrelang nicht auf. Gestern habe ich es wieder wahrgenommen. Darauf liege ich ohne Sattel und Zaumzeug auf Liberty hab die Arme um seinen Hals gelegt und bin sichtlich glücklich.

Als wir nach Hause fuhren war der Weg plötzlich da. Was vorher so kompliziert erschien war nun ganz einfach. Alle Hindernisse die sich mir vorher scheinbar in den Weg stellten, waren nicht mehr wahrnehmbar. (da möchte ich jetzt nicht ins Detail gehen weil es auch egal ist und sie nur in meinem Kopf existierten) Ich ging auf die Koppel, holte Liberty heraus der auch sofort mitging, sattelte ihn und wir spazierten gemeinsam auf meinem kleinen Reitplatz herum. Ganz entspannt und ohne Zwang. Weil ich so große Lust dazu hatte habe ich mich auch auf ihn raufgesetzt und es war wie heimkommen. Als hätte mein Hintern und Libertys Rücken nie eine Pause voneinander gemacht. 


Mein Liberty und ich sind und sehr sehr ähnlich. Jeder Pferdebesitzer wird diese tiefe Verbindung mit seinem Pferd bestätigen können und es gibt ja auch ganz viel zum Thema „Pferd als Spiegel“ zu lesen. Gerade diese Ähnlichkeiten in unserem Charakter macht es mir nun ganz leicht wieder einen Zugang zu finden. Und es ist unser Weg. Ich kann mir zwar Tipps von außen holen aber letztendlich muss ich selbst wissen was gut für uns ist. Ich verlasse ich mich auf mein Gefühl und bin aufmerksam auf das was sich mir zeigen will.


Heute sind wir unsere Wiese abgeritten. Im Nebel und mit  Raureif, im Hintergrund ein bisschen Sonne. Es war wunderbar und ich spüre ganz deutlich das nun der richtige Zeitpunkt da ist um die Beziehung zu meinem Pferd wieder zu vertiefen. Ich freu mich unglaublich darüber und bin gespannt und neugierig wie es weitergeht. Mal schauen was sich daraus noch ergibt.

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Ich meine es ja nur gut mit dir...


Kennt ihr diesen oder den adäquaten Satz: "Ich will dir ja nur helfen".  Ich wurde jetzt schon lange nicht mehr damit konfrontiert, gestern war es aber wieder soweit, das dieses Statement in einer etwas veränderten Form in meine Richtung geschickt wurde.

Es ist sehr interessant was das in mir auslöst.

Körperlich: Kiefer verspannt sich, Bauchbereich spannt sich an, verkrampftes Lächeln, der Drang sofort wegzulaufen

Gefühl: Ich möchte die Augen zumachen und gar nicht sehen was da so gut gemeint ist, Ablehnung, Wiederstand, Trotz

Emotion:  Zurückweisung, kratzt am Selbstwert, ich bin nicht gut so wie ich bin,  ich mache etwas falsch, die anderen können alles besser

Hat dieser Satz in der einen oder anderen Form schon jemals etwas Positives in einem Menschen ausgelöst? Ist man dann wirklich dankbar für das „gut gemeint“ oder „Helfen wollen“? Wenn ich so zurückdenke an die Situationen in denen mir diese Phrasen zugetragen wurden kann ich aus tiefster Überzeugung sagen das ich mich darüber noch nie gefreut habe.

Aber es hat mich doch sehr beschäftigt warum das so ist.  Warum kann ich den gut gemeinten Rat nicht annehmen und bin nicht dankbar dafür.  Je mehr ich jetzt schreibe desto mehr sehe ich was dahintersteckt. Da hat sich ein anderer, mir völlig fremder Menschen, offenbar Gedanken über mich gemacht. Das finde ich schon mal sehr spannend und durchaus positiv.

Das mich die Worte „gut gemeint“ und „will dir ja nur helfen“ so in eine negative Emotion bringen, liegt an mir, nicht am Absender. Wäre ich mit dem Thema im Reinen, könnte ich die versteckte Kritik, ja ganz einfach hören und wieder verwerfen. Indem ich das aber nicht mache, sondern den ganzen Tag darüber nachgrüble, zeigt mir das es da noch etwas in mir gibt, das angeschaut werden möchte.

Robert Betz, nennt Menschen die solche Reaktionen bei uns auslösen „Arschengel“. Ich mag das Wort total gerne. Gemeint ist das sie uns immer wieder zeigen wo es noch Baustellen gibt.

Also bin ich wieder mal dankbar für die Lektion – theoretisch 😇

Praktisch happert es noch ein bisschen 😈

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Ich hab noch viel zu lernen über die Menschlichkeit

Eigentlich hätte ich mich bis diesen Woche als sozial engagierten und hilfsbereiten Menschen bezeichnet. Ich sammle mit den Wunderweibern Geld für Soziale Organisationen, war als Buddy für Asylsuchende tätig, arbeite manchmal fürs Jane Goodall Institut,  hab in einem Alsyl-Zwischenlager mitgeholfen…Der Besuch bei der Tafel hat mir jedoch einen Spiegel vorgehalten, und das Bild darin hat mir nicht sehr gut gefallen.

Andrea Roschek, Bild von Nadége Heuzé
Anfang der Woche habe ich alle Weihnachtskekse die von unserem Fest übrig geblieben sind nach Eisanstadt zur Pannonischen Tafel gebracht. Die Tafel und das dazugehörige Wohnzimmer steht allen Menschen offen die Hilfe brauchen. Sei es mit Lebensmittel, Kleidung aber auch ganz viel mit Menschlichkeit in jeder Hinsicht. Gegründet und geleitet wird sie von Andrea Roschek, die ich nun schon einige Zeit kenne.

Im "Wohnzimmer" der Tafel saß eine junge Roma Frau aus der Slowakei, Reka. Sie saß da und weinte vor sich hin. Andrea erzählte mir eine fast unglaubliche Geschichte. Über ihren gewalttätigen Mann der ebenfalls in Österreich ist und sie regelmäßig prügelt und vergewaltigt, 3 Kinder die ihr gerade weggenommen wurden, Alkoholismus der Eltern und die Wohnsituation die unter jeder Sau ist. Um das noch ein bisschen zu toppen hat die Reka auch noch Leukämie und muss regelmäßig zur Blutwäsche.
Als mir Andrea die Geschichte erzählte betrachtete ich Reka. Sehr hübsch ist sie, gut geschminkt, hohe Stiefeln, Glitzerohrringe, langes dunkles gepflegtes Haar und Raucherin. So gar nicht das Bild das ich mir von einer obdachlosen Roma gemacht habe.

Und da war ich wirklich entsetzt über mich selbst. Ich suchte regelrecht nach Möglichkeiten die es mir erlaubten Reka abzuurteilen, die mir vielleicht zeigen könnten das die Geschichte nicht wahr ist. Das gepflegte Aussehen, die Schmike, das schöne Haar, der Schmuck die Zigaretten... Ich konnte diese Gedanken tief in meinem Inneren nicht verhindern und schämte mich dafür.

Und dann ist da Andrea Roschek, die so überhaupt nicht denkt. Sie sieht einfach einen Menschen der Hilfe braucht und sie gibt, und sie gibt und sie gibt. Sie nimmt die Frau einfach in den Arm, lässt sie an ihrer Schulter weinen und tröstet. Hilft wo sie kann, tut einfach, ohne zu urteilen.

Das ist wahre Menschlichkeit und ich bin demütig wieder in mein schönes Zuhause gefahren. Ich bin unendlich dankbar für diese Erfahrung, weil sie mir meine Grenzen gezeigt hat und es ist wirklich an der Zeit diese aufzumachen.